Änderung der Insolvenzordnung mit deutlichen Erleichterungen für Corona-geschädigte Unternehmen beschlossen
9. April 2020
Am 27. März 2020 hat der Bundestag über den Gesetzentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung (CovInsAG) abgestimmt und diesen mit breiter Mehrheit angenommen. Damit steht ein wichtiger Baustein zur Überwindung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie unmittelbar vor der Umsetzung.
Über den Gesetzentwurf haben wir bereits in unserem Blog berichtet. Neben der reinen Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bietet das CovInsAG eine Reihe weiterer erfreulicher Klarstellungen und Erleichterungen für die Unternehmen:
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Die Insolvenzantragspflicht soll rückwirkend ab dem 01.03.2020 bis zum 30.09.2020 ausgesetzt werden. Je nach weiterem Krisenverlauf kann diese Aussetzung der Insolvenzantragspflicht darüber hinaus bis zum 31.03.2021 verlängert werden.
Dies gilt – wie schon im letzten Blog erläutert – nicht für alle Unternehmen. Allerdings hat sich der Gesetzgeber für eine Negativ-Abgrenzung entschieden: Es verbleibt bei der Insolvenzantragspflicht für diejenigen Unternehmen, deren Insolvenzgrund nicht auf Corona zurückzuführen ist und bei denen keine Aussicht besteht, die Zahlungsfähigkeit wiederzuerlangen. Die Hürden für diese Beweisführung sollen nach dem Willen des Gesetzgebers hochgesteckt werden, um für die aktuell betroffenen Unternehmen größtmögliche Rechtssicherheit zu erreichen.
Um möglichst vielen Unternehmen diesen Schutz der Antrags-Aussetzung zu gewähren, hat der Gesetzgeber zudem eine Regelvermutung im Gesetzestext untergebracht: Wer am 31.12.2019 zahlungsfähig war, für den wird vermutet, dass eine später eintretende Insolvenzreife auf die Corona-Pandemie zurückzuführen ist.
Aufhebung der Haftungsrisiken für Unternehmer
Folgerichtig hat sich der Gesetzgeber auch dazu entschieden, die Haftung des Geschäftsführers bzw. Unternehmers für Zahlungen nach formalem Eintritt der Insolvenzreife auszusetzen.
Diese Haftung knüpft grundsätzlich nicht an die Insolvenzantragspflicht, sondern an die Insolvenzreife, also den Eintritt eines Insolvenzgrundes. Mit der Anpassung der Insolvenzordnung dürfen Unternehmer Zahlungen leisten, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebes oder der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dienen, ohne eine spätere Inanspruchnahme fürchten zu müssen.
Reduzierung der Risiken für Kreditinstitute
Auch Kreditinstitute profitieren von der aktuellen Gesetzesänderung: Die Gewährung eines Kredites im Aussetzungszeitraum ist nicht als sittenwidriger Beitrag zu einer Insolvenzverschleppung anzusehen. Auch dürfen Kreditinstitute gefahrlos auf neu ausgereichte Kredite die Kapitaldienste entgegennehmen, ohne eine spätere Anfechtung der Zahlungen befürchten zu müssen. Die Tilgung solcher Kredite gilt – ebenso wie deren Besicherung – als nicht gläubigerbenachteiligend. Dies gilt für alle Tilgungsleistungen, die das Kreditinstitut bis zum 30.09.2023 vereinnahmt und für alle Sicherheitenbestellungen, die im Aussetzungszeitraum erfolgen (also derzeit bis zum 30.09.2020).
Auch die Anfechtungsregeln wurden analog zu den dargestellten Regelungen deutlich gelockert:
- So sind die sogenannten „kongruenten Deckungen“, also Rechtshandlungen, die dem Anfechtungsgegner eine Sicherung oder Befriedigung seiner Ansprüche verschafft, auf die er auch einen konkreten Anspruch hat, nicht anfechtbar.
- Auch einige der „inkongruenten Deckungen“, also Fälle, bei denen der Gläubiger eine Leistung erhält, auf die er aktuell keinen Anspruch hat, sind in bestimmten Konstellationen von der Anfechtung ausgeschlossen:
- Leistungen an Erfüllungs statt oder auch erfüllungshalber
- Zahlungen durch Dritte auf Weisung des Schuldners
- Bestellung anderer als der vereinbarten Sicherheit, sofern die tatsächlich bestellte Sicherheit nicht werthaltiger ist als die vereinbarte Sicherheit
- Verkürzung von Zahlungszielen oder Gewährung von Zahlungserleichterungen
Für Kredite aus den aktuellen staatlichen Hilfsprogrammen der KfW oder anderer Institutionen gilt sogar, dass eine Anfechtung der Kapitaldienste insgesamt, also auch nach dem 30.09.2023, ausgeschlossen ist.
Damit schafft der Gesetzgeber einen klaren Anreiz für die Banken, die Hilfsprogramme zur Unterstützung des Mittelstandes auch aktiv zu nutzen.
Fazit und Folgen für die Praxis
Der Gesetzgeber setzt wie angekündigt an einer Vielzahl von Stellen an, um den Unternehmen einen Weg durch die aktuelle Corona-Krisenzeit zu ermöglichen.
Entscheidend ist allerdings, dass das Unternehmen tatsächlich wegen der Auswirkungen der Corona-Pandemie illiquide wird. Hierzu sollte jeder Unternehmer – auch vor dem Hintergrund des eigenen Haftungsrisikos – transparent dokumentieren, wie sich sein Unternehmen vor Corona entwickelt hat, welche Auswirkungen Corona auf Umsatz, Materialeinkauf, Personalplanung oder sonstige Kosten hat und wie sich sein Unternehmen ohne Corona weiter entwickelt hätte. Nur dann kann er sicher sein, dass der Insolvenzgrund tatsächlich ausschließlich auf Corona zurückzuführen ist.
Dieses Vorgehen schützt ihn nicht nur vor einer strafrechtlichen Verantwortung wegen möglicher Insolvenzverschleppung, sondern darüber hinaus vor den im Regelfall existenzbedrohenden Haftungsansprüchen im Falle einer späteren Insolvenz.
Weitergehende Informationen und Fragen
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